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HANDLUNGS-
EMPFEHLUNGEN

Auf der Grundlage fundierter Analysen und ausgewiesener Erfahrungswerte entwickelt das Institut konkrete Handlungsempfehlungen für den Umgang mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen im kulturellen Kontext. Hierzu bietet das Institut Fortbildungen für Kulturverwaltungen an.


Erfreulicherweise werden diese Empfehlungen bereits von einigen politischen Akteur:innen, jüdischen Verbänden und Kultureinrichtungen genutzt.

EMPFEHLUNGEN ZUR
PRÄVENTION UND BEKÄMPFUNG VON
ANTISEMITISMUS IN KUNST UND KULTUR©

Die folgenden Handlungsempfehlungen richten sich an die Kulturpolitik und-verwaltung, teilweise auch an Kulturinstitutionen und -verbände. Sie wurden innerhalb des Netzwerks antisemitismuskritischer und jüdischer Künstler*innen und Mitarbeiter*innen von Kulturinstitutionen, das im Vorwort beschrieben wurde, diskutiert und geschrieben. Es handelt sich um Empfehlungen, nicht um Forderungen; denn Forderungen müssen an den jeweiligen Kontext angepasst werden. Im Fokus stehen die Bedarfe der von Antisemitismus betroffenen Künstler*innen sowie des Publikums. Das Thema Antisemitismus betrifft alle Institutionen und Träger, besonders sensibel ist jedoch der Bereich der Kulturellen Bildung.

1. Wenn sich antisemitische Vorfälle im (öffentlich geförderten) Kulturbetrieb ereignen,
bleibt dies oft ohne Konsequenzen. Deshalb sollte die IHRA-Definition von Antisemitismus Grundlage sein für

— Zuwendungen und Zielvereinbarungen mit geförderten Institutionen, Trägern und Verbänden,
— AGBs, Leitlinien und internen Dienstanweisungen in öffentlich geförderten Institutionen.

Dies gilt nicht für Zuwendungs-, Honorar- und Arbeitsverträge mit einzelnen Künstler*innen, deren künstlerische Werke im Sinne der Kunstfreiheit subjektiv und politisch einseitig können dürfen.

 

2. Wenn sich antisemitische Vorfälle im Kulturbetrieb ereignen, fehlt Kulturinstitutionen oft ein professioneller und fachlicher Umgang mit dem Thema Antisemitismus. Deshalb sollten Institutionen und Verbände Standards und Leitlinien zu Antisemitismus entwickeln, bspw. in Form von
— Selbstverpflichtungen und Leitlinien zum Umgang mit antisemitischen Vorfällen und zur Prävention von Antisemitismus, — demokratischen Leitbildern inklusive Antisemitismusprävention,
— einem unabhängigen und transparenten Beschwerdemanagement im Fall antisemitischer Vorfälle.


3. Wenn sich antisemitische Vorfälle im Kulturbetrieb ereignen, führt dies in öffentlichen Debatten zu pauschalisierenden Urteilen über „den Kulturbetrieb“ – oder aber zur reflexhaften Abwehr sogenannter „Antisemitismusvorwürfe“. Deshalb sollten Analysen des Ist-Standes erarbeitet werden (z. B. auf der Ebene des Bundes, der Länder oder der Kommunen), um passgenaue Maßnahmen zu entwickeln. Die Analyse kann sich beziehen auf
— Personal, Programm, Publikum (die „drei P“),
— einzelne Institutionen, Verbände und Förderprogramme.

Die Analyse kann folgende Fragen beinhalten:
— Gab/gibt es einen silent boycott israelischer Künstler*innen?
— Gab/gibt es Projekte oder Förderprogramme, um die NS-Kulturpolitik und deren Folgen in und für Kulturinstitutionen – hinsichtlich thematischer und/ oder personeller Kontinuitäten – zu erforschen oder um künstlerisch dazu zu arbeiten?
— Gab/gibt es Projekte oder Förderprogramme für ostdeutsche Kulturinstitutionen, um die antisemitische bzw. antizionistische Kulturpolitik der DDR und deren Folgen – hinsichtlich thematischer und/oder personeller Kontinuitäten – zu erforschen oder dazu künstlerisch zu arbeiten?

 

4. Wenn sich Kulturinstitutionen mit Antisemitismus (künstlerisch) auseinandersetzen wollen, fehlen ihnen oftmals Ansprech- und Kooperationspartner*innen für ihre Vorhaben, und/oder sie wissen nicht, wie sie diese finanzieren können. Kulturinstitutionen sollten unterstützt werden durch
— antisemitismuskritische künstlerische, spartenspezifische Prozessbegleitungen,
— die Einrichtung von Förderprogrammen für künstlerische Projekte zu historischem oder aktuellem Antisemitismus.

 

5. Wenn Gremien (z. B. Findungskommissionen oder Jurys) mit Künstler*innen besetzt werden, die in der Vergangenheit Antisemitismus verharmlost oder reproduziert haben, hat das Folgen für jüdische und antisemitismuskritische Künstler*innen: Sie bewerben sich dort selten und/oder verändern den Charakter ihrer geplanten Projekte (z. B. weil sie annehmen, das solche mit Bezug zu Israel keine Chance haben).
— Um die künstlerische Freiheit jüdischer und antisemitismuskritischer Künstler*innen zu gewährleisten, sollte dieser Aspekt bei der Besetzung von Gremien kritisch beachtet werden.

 

Die Kontroverse um die documenta fifteen hat dazu geführt, dass sich auch Künstler*innen und Kulturinstitutionen, die dies bisher nicht oder nur am Rande getan haben, näher mit Antisemitismus beschäftigen wollen. An sie richtet sich dieser Band. Wichtige Debatten der letzten Jahre zu Antisemitismus im Kulturbetrieb werden nachgezeichnet und aus antisemitismuskritischer Perspektive erklärt.

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