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Dreifuß

Als der Dramaturg, Regisseur und Theaterhistoriker Alfred Dreifuß 1949 nach Potsdam kommt, ist er voller Hoffnung. Die Folgen des Kriegs sind noch überall spür- und sichtbar; Dreifuß ist aus dem Exil in Shanghai zurückgekehrt, um beim Aufbau eines „neuen, besseren“ Deutschland zu helfen. Kultur und Theater sollen dabei eine wichtige Rolle spielen. Dreifuß (*1902) wird der neue Intendant des Landestheaters Brandenburg, wie das Hans Otto Theater damals heißt. Was er in den folgenden Jahren erleben wird, gleicht einem Albtraum.

Potsdam im Jahr 1949: Das alte Stadttheater ist zerstört, Vorstellungen finden nur an drei Tagen in der Woche im Schloßtheater am Neuen Palais statt. Im ehemaligen Gesellschaftshaus „Zum Alten Fritz‘“ in der Zimmerstraße 10 soll eine provisorische Spielstätte entstehen, aber es fehlt an  Baumaterial und Geld; die Eröffnung muss verschoben werden: Eine desaströse Situation für das Landestheater, das – wie alle Theater in Brandenburg zu dieser Zeit – verschuldet ist. Die Schauspieler müssen bezahlt werden, auch wenn sie nicht spielen; manches, was fehlt, muss für Westgeld im Westteil Berlins „organisiert“ werden, dem Theater fehlen Einnahmen. Alfred Dreifuß kämpft gleichzeitig auf vielen Baustellen. Um dem finanziellen Desaster etwas entgegenzusetzen, erhöht er die Anzahl der wöchentlichen Vorstellungen auf sechs. Er geht mit dem Theater in Schulen und in Betriebe, um neue Besucherschichten zu gewinnen. Er beschwert sich beim Zentralsekretariat der SED über die mangelnde Unterstützung des Ministeriums für Erziehung, Wissenschaft und Kunst Brandenburg. Im Oktober 1949 kann das Haus in der Zimmerstraße eröffnet werden. Ein Etappenziel scheint erreicht.

Doch im Januar 1950 wird Dreifuß verhaftet, als Intendant entlassen, aus der SED ausgeschlossen. In einem Prozess wird er zu einem Jahr und acht Monaten Zuchthaus sowie einer Geldstrafe verurteilt. Im Hintergrund des Prozesses stehen u.a. Ermittlungen wegen einer angeblichen Agententätigkeit Dreifuß‘. Seit 1948 will die SED zu einer „Partei neuen Typs“ werden und orientiert sich am Vorbild der stalinistischen KPdSU. Viele alte Genossen fallen den Säuberungen zum Opfer.

Die Säuberungen sind – wie im Fall Dreifuß – oft antisemitisch konnotiert. Sie treffen nur scheinbar Einzelne: 1953 kommt es zur größten Fluchtwelle von Jüdinnen und Juden aus Deutschland seit dem Ende des Krieges – mehr als 500 von ihnen verlassen die DDR aus Angst vor erneuter Verfolgung. Dreifuß, der zu diesem Zeitpunkt aus dem Zuchthaus entlassen wird, gehört zu den wenigen, die bleiben - über seine zweite Haft spricht er erst spät und nur in Andeutungen. Auch diese Zurückhaltung ist typisch für seine Generation: Diejenigen jüdischen Kommunist:innen, die sich für ein Leben in der DDR entscheiden, schweigen durch alle Enttäuschungen hindurch. Bis auf ihre Zugehörigkeit zur kommunistischen Bewegung hatten sie alles verloren, diese geben sie nicht her.

 

Die Journalistin Bettina Leder hat aus Akten und persönlichen Dokumenten für das Institut eine Collage über Alfred Dreifuß erstellt. Sie ist die Grundlage für szenische Lesungen, die ab 2023 in Berlin und Brandenburg  in und um die verschiedenen Theater und Museen stattfinden, in denen Alfred Dreifuß gewirkt hat.

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